Neujahrsgrüße der LandessprecherInnen

DIE LINKE. NRW

Liebe Genossinnen und Genossen, das Wort des Jahres 2010 ist „Wutbürger“. Man fragt sich, wer solche Entscheidungen trifft. Wir hätten sicherlich ein anderes Wort gewählt. Wir fragen uns, warum in einem Jahr, in dem Erzieherinnen, Hebammen und Verkäuferinnen erfolgreich auf die Straße gegangen sind, um für ihre Rechte zu kämpfen, nicht wenigstens auch Wutbürgerinnen vorkommen.

 

Liebe Genossinnen und Genossen, das Wort des Jahres 2010 ist „Wutbürger“. Man fragt sich, wer solche Entscheidungen trifft. Wir hätten sicherlich ein anderes Wort gewählt. Wir fragen uns, warum in einem Jahr, in dem Erzieherinnen, Hebammen und Verkäuferinnen erfolgreich auf die Straße gegangen sind, um für ihre Rechte zu kämpfen, nicht wenigstens auch Wutbürgerinnen vorkommen.

Noch viel mehr aber verrät die Wahl des Wortes über das politische Verständnis des Auswahlgremiums. Wut ist heiß, kocht hoch und verdampft schnell in der Hitze des Gefechtes. Ist es das, was gewollt ist? Dürfen wir einmal kurz unsere Wut aufkochen lassen, um dann wieder Ruhe zu geben? Ist es wirklich Wut, die in diesem Jahr tausende in Gorleben, Stuttgart, Berlin und in vielen anderen Städten auf die Straße und zu Aktionen getrieben hat? Oder ist es nicht vielmehr ein lange gewachsener Zorn? Ein Zorn, der anhalten und seine Glut ins nächste Jahr mitnehmen wird? Ein Zorn, der  berechtigt ist? „Verwandelt eure Wut in Energie“ sangen bereits vor mehr als dreißig Jahren die AtomkraftgegnerInnen in Wyhl und anderswo.

2,5 Millionen Kinder in Deutschland leben in Armut. Das ist jedes 5. Kind. 40% aller Alleinerziehenden und ihre Kinder sind arm. Die Anzahl von Menschen, die arm trotz Lohnarbeit sind, steigt. Immer mehr Lohnabhängige müssen mit 40 Arbeitsstunden und mehr in der Woche ergänzende Leistungen beantragen, um überleben zu können. Und noch immer leben Menschen unter den unerträglichen Bedingungen der Hartz-Gesetze, verhöhnt durch die Schachereien der Regierung und der SPD. Keinem von ihnen geht es um die Menschen, ihnen geht es gemeinsam nur darum, Macht zu bekommen, um dann das „weiter so“ zu predigen und zu vollziehen. SPD, GRÜNE sind weit davon entfernt, eine grundsätzliche Opposition zu CDU und FDP zu sein. Sie müssten ja auch gegen sich selbst opponieren, weil die Politik gegen die Armen und Erwerbslosen von ihnen forciert wurde. Und die Schere zwischen Arm und Reich klafft weiter und weiter auseinander.

Rund 86.000 Streikende hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung in den ersten sechs Monaten 2010 gezählt. Das Arbeitskampfvolumen schätzt das WSI in diesem Zeitraum auf rund 140.000 wegen Streik und Warnstreik ausgefallene Arbeitstage. Zehntausende gingen in Stuttgart auf die Straße – immer wieder, Woche für Woche. Es ist ein bunter Protest und es geht längst um mehr, als um den Erhalt eines Bahnhofs. Es geht um die Frage, was in diesem Land eigentlich Demokratie bedeutet.  Es geht um Transparenz, um den Widerstand gegen Vetternwirtschaft und um Gutachten, die so lange gedreht und gewendet werden, bis sie passen. Passen sie nicht, werden sie schlicht geheim gehalten. Stuttgart 21 hat den öffentlichen Protest wieder zu einem anerkannten Mittel demokratischen Widerstandes gemacht. Groß ist die Solidarität mit dem Widerstand - weit über Stuttgart hinaus und hinein in viele Schichten der Gesellschaft. Die Legitimation der Herrschenden wurde 2010 immer wieder und tiefer gehend in Frage gestellt: In Stuttgart, mit den Protesten des Bündnisses „Wir zahlen nicht für Eure Krise“, in Dresden und Dortmund mit Blockaden gegen den Naziaufmarsch und nicht zuletzt im Wendland mit den größten Protesten gegen den Atomwahnsinn der Regierenden. Auch der angebliche Aufschwung nach zwei Jahren tiefster kapitalistischer Krise hat die Legitimationskrise der herrschenden Politik nicht dämpfen können. Als Reaktion darauf verfällt ein Teil des Meinung machenden Establishments auf die dumpfeste aller Kampagnen. Mit einer Unterschichten-Debatte, die alle rassistischen und antisemitischen Klischees bedient, soll den Armen und Opfern der herrschenden Politik, eingeredet werden, sie seien selbst Schuld an ihrem Unglück verbunden mit der Schaffung von Sündenböcken, auf die einzuschlagen sich mehr lohnen würde als auf die wirklich Verantwortlichen und soziale Ungleichheit und Ausgrenzung.

Viele mögen sich ohnmächtig fühlen, viele auch einfach nur wütend werden. Aber bei immer mehr Menschen wird die Wut zu einem langanhaltenden Zorn gegen die herrschenden Verhältnisse. DIE LINKE war bei allen diesen Protesten dabei. An manchen Stellen viel zu wenig, aber doch immer sichtbar. Diesen Zorn weiterzutragen ins Jahr 2011 muss unser Ziel und unsere Aufgabe sein. Der Zorn muss Antrieb sein, endlich wieder nicht nur darauf zu hoffen, dass eine andere Welt möglich ist, sondern für eine gerechte Welt zu kämpfen. Der Protest gegen die Folgen des Kapitalismus ist kein deutsches Phänomen. Weltweit finden sich Menschen zusammen, die für eine andere Welt kämpfen. Alternativen, noch vor wenigen Jahren belächelt, werden wieder ausgesprochen. Wir werden nicht mehr belächelt, wenn wir davon reden, dass wir für den Sozialismus kämpfen. Klassenkampf ist kein Unwort mehr, sondern weltweit die angemessene Antwort auf Ausbeutung und Unterdrückung. Unser Platz wird auch 2011 an der Seite derer sein, die sagen, dass der Reichtum von Wenigen in der Welt die andere Seite der wachsenden Armut von immer mehr Menschen ist. Unser Platz ist dort, wo Menschen den Mut haben, sich zu wehren.

2010 war ein politisch langes Jahr. Ein Jahr, in dem soviel passiert ist, dass es für zwei oder drei Jahre gereicht hätte. Das gilt auch für unsere kleine, erfolgreiche Partei in NRW. Kaum waren die Wahlkämpfe 2009 vorbei, ging es 2010 nahtlos weiter in den Landtagswahlkampf. Und liegt nicht vieles schon weit zurück? Teile der Presse stürzten sich auf unser Programm im Wettstreit um die bösesten Kommentare und Verdrehungen. NRW – der Hort des Wahnsinns lautete die Parole. „Unfähig, verrückt, Betonkommunisten, dogmatische Utopisten“ – was waren wir nicht alles in den Augen bürgerlicher Medien. Unser Landesverband hat widerstanden. Wir haben uns nicht spalten und wir haben uns nicht beirren lassen. Und wir können stolz darauf sein, denn für keine und keinen von uns war das immer einfach! Und ist unser Wahlprogramm nicht topaktuell? Wie ist die unverschämte Erpressung gewählter Regierungen durch vier große Stromkonzerne denn anders zu beseitigen als durch eine Entmachtung und Vergesellschaftung der Konzerne? Wie ist die größte Finanznot der Kommunen denn anders zu beheben, als durch eine radikale Neuverteilung der öffentlichen Einnahmen? Wie ist die notorische Bildungsmisere in Deutschland anders zu lösen als durch eine Schule für alle und kostenlose Bildung von der Krippe bis zur Erwachsenenweiterbildung? Wie ist die angeblich  wie ein Schicksalsschlag über das Land gekommene Flut von LeiharbeiterInenn und prekär Beschäftigten anders zu bekämpfen, als durch eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit, Verbot der Leiharbeit, Mindestlohn und Abschaffung der Hartz-Gesetze?

Die Wählerinnen und Wähler haben unsere Standhaftigkeit belohnt und uns auch Fehler machen lassen. Seit dem 9. Mai sitzt zum ersten Mal Jahrzehnten wieder eine Partei links von der SPD im Landtag von NRW. Damit ist die Gesellschaft noch nicht besser geworden, Armut und Ungerechtigkeit sind nicht gebannt. Aber es gibt endlich in NRW eine Stimme im  Parlament, die laut und deutlich auf der Seite der Mehrheit der Menschen steht! Die Genossinnen und Genossen in den verschiedenen Parlamenten brauchen eine jede und jeden von uns, damit ihre Stimmen nicht heiser werden und sie im Alltag des Parlamentarismus verloren gehen. Sie brauchen uns an ihrer Seite, damit ihre Stimme nicht unerhört verklingen.

NRW hat nicht nur im Landtag, sondern in fast allen Stadt und Kommunalparlamenten, in den Landschafts- und Regionalverbänden, Genossinnen und Genossen, die gewählt wurden, um vor allem eins zu tun: wider den Bürokratismus der Verwaltungen und den angeblichen „Sachzwängen“  Demokratie in die Räte zu tragen. Wir wurden nicht gewählt, um noch mehr Anträge, noch mehr Akten und noch mehr Hinterzimmergespräche zu produzieren, sondern um zu stören und das zu machen, was DIE LINKE konstant in allen Umfragen am glaubwürdigsten tut: Zu sagen, was ist! Im nächsten Jahr müssen wir nicht mehr nur sagen, was ist, sondern das, was ist, auch verändern. Dazu brauchen wir neben starken und solidarischen Fraktionen vor allem eine starke Partei – im Bund, im Land und in jedem Kreisverband. Unsere Politik endet nicht in den Räten. Dort findet ein Teil von ihr statt. Unsere Politik ist bei den Menschen und macht ihnen Mut, ihre Geschicke in die Hand zu nehmen und aufzubegehren gegen das Unrecht kapitalistischer Verhältnisse. Dazu brauchen wir unseren Zorn und vor allem uns. Denn ohne Solidarität untereinander werden wir scheitern. Gegen die Ohnmacht, die Verzweiflung, die Konkurrenz im „race to the bottom“ und den Kampf jeder und jedes Einzelnen setzen wir die Zärtlichkeit der Menschen: Die Solidarität! Wir werden 2011 den Sozialismus nicht erreichen. Aber wir können ihm Schritt für Schritt näher kommen und der Barbarei des Kapitalismus entgegenstellen!

Ein frohes neues Jahr! Bonne Année! Feliz Año Nuevo! Felice anno nuovo! Próspero ano novo! Godt nytåg! Godt Nytt År! Gott nyttår! Gledilegt nyàr! Onnellista Uutta Vuotta! Boldog új évet kivanok! Urte berri on! Pache salute e bon' annata! Any nou, vida nova! Hau' oli Makahiki Hou! A gut yor! Shana tova! Sas efchome mia kali kenuria chronia! Yeni yilin kutlu olsun! Felican Novan Jaron! Yengi yilingiz qutlu bulsin! Stchastlivogo Novogo Goda! Szczesliwego Nowego Roku! Jengy jylyngyz qutty bolsyn! Head uut aastat! Gelukkig Nieuwjaar! Athbhliain faoi shéan is faoi mhaise agaibh! Blwyddyn newydd dda! Kull sana wa intu tai-jibin! Akemashite omedetou gozaimasu! Mu'ng Nam Mói! Aap ko nav versh ki shoob-kaamanain! Salle no mobarãk! Selamat Hari Raya! Nyob zoo xyoo tshiab! Bliadhna mhath ùr! Arahaba fa tratry ny taona! Selemo se atlehisa le wena! Jengy jylyngyz qutty bolsyn! Jangy jylyngyz qutty bolsun! Sretna nova godina! Bloavez mad! Selamat Tahun Baru! Voorspoedige nuwe jaar! Z novym rokom! Assirallamikungqerrqina! Xiannian Hao! Hsin Nien Kwai Lo! Nizhónígo nidoohah! Kolle sanna we entom tayebeen! Sawadee Bee Mai!                          

Eure                            
Sylvia Gabelmann, Thies Gleiss, Helmut Manz, Katharina Schwabedissen, Pamela Strutz und Hubertus Zdebel